Nachbetrachtung meines ersten Marathons

Donnerstag. Am 4. Tag nach dem großen Rennen werden die Schmerzen in den Muskeln langsam erträglich. 4 Tage, nachdem ich 42,2km am Stück gelaufen bin. Der Gedanke daran, diese Strecke überhaupt geschafft zu haben macht mich stolz. Und jeder, der das auch geschafft hat kann genauso stolz auf sich sein. Nun möchte ich schreiben, wie es mir in den Stunden und Tagen nach dem Marathon ergangen ist. Direkt nach dem Zieleinlauf hatte ich kurz eine Phase, in der mein Schmerzzentrum im Gehirn von meinem Glückzentrum ausgeschaltet wurde. Ich war am jubeln, gab Interviews und nahm die ersten Glückwünsche und Küsschen von Freundin und Familie entgegen. Doch schon die ersten Schritte durch den Zielbereich richtung Umkleiden waren ein steifes Humpeln mit brennenden Schmerzen in den ganzen Beinen. Zudem war ich schon etwas durchgefroren. Beim Umziehen bemerkte ich schon eine kleine Blessur an meinem linken Fuß: die 4. Zehe fühlte sich ungewöhnlich taub an und der Zehennagel wackelte komisch. Zur Regeneration ließ ich meine Kompressionstrümpfe aber noch an. Das erste Aufstehen vom Sitzend-Umziehen deutete dann wie ein Schlag ins Gesicht einen barbarischen Muskelkater an. Die Freude bei der anschließenden Siegerehrung überdeckte die dunklen Muskelkaterwolken noch ein bisschen. Bei den Gehstrecken auf dem Heimweg bekam ich von meinem Trainer Matthias Kieb dann schon das Lob einer sauberen Gehertechnik, denn erstmal waren meine Knie zu jedem Zeitpunkt der Stützphase durchgestreckt. Diesmal aber, weil es vor Schmerzen nicht anders ging. Nach Online-News schreiben und ankommenden Glückwunschmails lesen und etlichen Telefonaten gab es Sonntagnachmittag eine kurze Ruhepause, bevor es zur Regeneration mit Marc und Matthias schön in die Sauna ging. Hitze, Eisbad, Whirlpool. Eine Wohltat. Am Montagmorgen klingelte pünktlich 5:30 Uhr der Wecker. 6:45 Uhr Arbeitsbeginn. Den Stolz hatte ich, nach einem Marathon einen ganz normal 8h Tag zu arbeiten. Schlafen konnte ich sowieso nicht viel. Bei jeder großen Beinbewegung wachte ich vor Schmerzen auf und hatte sofort die intensiven Eindrücke vom Lauf in meinem Kopf. Meine Freundin musste mich mit dem Auto zum S-Bahnhof bringen. Denn für das Treppenhaus brauchte ich schon die 4-fache Zeit vom normalen. Dort wartet eine kleine Überaschung auf mich: Ich war auf dem Titelblatt der Morgenpost, die es dort im Automaten gab. Man fühlt sich gleich etwas beobachtet am Bahnsteig. Und unverhofft konnte ich meiner Freundin ein überaschendes Geschenk machen: Wir, küssend, ganz groß, in der Zeitung. Das musste sofort wiederholt werden. Im Krankenhaus drängte ich mich dann motiviert in den OP-Plan. Denn Stehen war eindeutig besser als Herumlaufen. Montag nach der Arbeit quoll mein Postfach von den vielen Glückwünschen fast über….ein wahre Freude sie alle zu lesen. Der 2. Tag nach einer extremen Muskelbelastung ist meistens der schmerzhafteste. Und da Laufen eine sehr ehrliche Sportart ist, war auch der Muskelkater sehr ehrlich zu mir und ließ mich die erste Treppe des Tage hinab in die Dunkelheit sehr wach werden. Kann mal jemand diese Messer aus meinen Oberschenkeln herausziehen? Langsam kommen auch wieder klare, nicht euphorische Gedanken über den Lauf in mein Großhirn. Die eigentliche Schlüsselfigur während des Laufs war wieder mein Trainer und Betreuer Matthias gewesen. Nur Blicke in der Anfangsphase des Rennens reichten, um mir mitzuteilen, dass ich gefälligst hinten, im Windschatten der Führungsgruppe laufen sollte. Und nicht wie ein stolzierender Hengst mit wehender Mähne voran, richtig schön im kalten Wind! Diese Blicke waren sicher 5 mal nötig. Manchmal auch ein kurzer Ruf. Genauso hat Matthias mir bei jeder Getränkestation meine angewärmten Trinkflaschen gereicht. Da haben die auskristalisierenden Wärmepacks für fröstelnde Frauchen doch etwas genützt. Denn 3° kaltes Wasser bei 3° ist nich gerade optimal. An der entscheidenden Stelle des Rennens bekräftigte Matthias auch meine Entscheidung, Borris Tempohatz nicht zu folgen um danach zum Gegenschlag auszuholen. Am Mittwoch Morgen bin ich das erste mal wieder zum Zug geradelt. Diese neuen ellipsenförmigen Ritzel brauchete ICH da sicher nicht, mein Tritt war auch so unrund. Aber es hat zum fahren ausgereicht. Nur beim Antritt an den Kreuzungen ließ ich etwas mehr Sicherheitsabstand, bevor ich losfuhr, denn die Beschleunigung glich eher einem Güterzug. Den runden Abschluss der von Emotionen getragenen Tag gab die allsemesterliche Medizinerparty. Durch meine Mitarbeit bei VVK und Abendkasse hatte ich natürlich auch access all areas und der Sonntags gewonnene Bierkrug konnte gefüllt und ausschweifend gelehrt werden. Eine Erkältung blieb mir bis jetzt zum Glück erspart, Antioxidatien sei Dank. Und nun ist ersteinmal Laufpause….Körper und Geist sollen wieder richtig Lust auf das Laufen bekommen.